Erklärung des dkv, beschlossen auf dem Vertretertag 2012:
Den Religionsunterricht nicht überfordern – die Katechese als lebenslange Begleitung stärken!
Die Würzburger Synode hat wichtige Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sich der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen und die Katechese im Raum von Kirche und Gemeinde in den letzten 35 Jahren je eigenständig entwickeln konnten. Damit wurde ein älteres Konzept überwunden, das die Aufgaben schulischen Unterrichts und kirchlicher Katechese in Gestalt einer schulischen Katechese zu integrieren versuchte. Dieser Kurskorrektur lagen vor allem drei Einsichten zugrunde:
- Auch im konfessionellen Religionsunterricht spiegelt die Schülerschaft „exemplarisch die plurale Gesellschaft“ (Der Religionsunterricht in der Schule, 1974, 1.4).
- In Anbetracht dessen „sollte man den Erfolg des Unterrichts nicht an einer nachprüfbaren Glaubenspraxis der Schüler messen“ (ebd.).
- Es ist bedenklich, „das Schwergewicht des katechetischen Dienstes der Kirche so einseitig auf Kinder und Jugendliche und auf die — doch wohl immer nur begrenzten — Möglichkeiten der Schule zu legen“ (Das katechetische Wirken der Kirche, 1974, 1). Daher ist parallel zum Religionsunterricht „mehr als bisher Katechese in der Gemeinde erforderlich“ (Der Religionsunterricht in der Schule, 1974, 1.4).
Unseres Erachtens treffen die drei genannten Einsichten heute genauso zu wie zum Zeitpunkt der Würzburger Synode. Mehr noch: Die Pluralisierung des Religiösen hat sich noch deutlich verstärkt. Das kirchliche Bildungsengagement in der Schule hat sich auf diese Situation eingestellt und das Verständnis der Aufgaben schulischen Religionsunterrichts entsprechend weiterentwickelt (vgl. Der Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen, 2005). Besonders zu akzentuieren sind demnach der Aufbau eines lebensbedeutsamen, religiösen Basiswissens, das Bekanntwerden mit Formen gelebter Religion und die Förderung religiöser Dialog- und Urteilsfähigkeit. Damit wird eine Entwicklungslinie weitergeführt, auf der sich der Religionsunterricht gegenüber mancherlei Infragestellungen behauptet und bei Schüler/innen und Eltern, Schulbehörden und Schulpädagogik ein hohes Maß an Akzeptanz und Reputation gewonnen hat. Für die Schule stellt ein solcher Religionsunterricht einen wichtigen Baustein bei ihrem Anliegen dar, Kindern und Jugendlichen ein umfassendes Bildungsangebot zukommen zu Lassen. Für die Kirche eröffnet der konfessionelle Religionsunterricht eine bedeutende Chance zur Verlebendigung ihres Glaubens — einen Ort der Begegnung mit der jüngeren Generation und der Auseinandersetzung mit ihren mehrheitlich nicht mehr erkennbar christlich geprägten Überzeugungen.
Die von der Synode getroffene Unterscheidung zwischen Religionsunterricht und Katechese hat sich unseres Erachtens bewährt und beiden Orten religiösen Lernens die Ausbildung ihrer je eigenen Möglichkeiten eröffnet. Allerdings scheinen die gegenwärtigen Bedingungen eine gewisse Versuchung mit sich zu bringen, diese Unterscheidung anzufragen. Dies geschieht vor dem Hintergrund von zwei Tendenzen, auf die wir mit Sorge hinweisen:
- Der Ausbau einer wirklich einladenden, auch über die bewährten Formen der Sa-kramentenvorbereitung hinausführenden und den „Glaubensweg der Menschen“ kontinuierlich begleitenden Katechese (vgl. Katechese in veränderter Zeit, 2004) ist nicht in dem Maße gelungen, wie dies erhofft wurde. Zwar findet in einigen Diözesen die Katechese mit Erwachsenen inzwischen eine hohe Aufmerksamkeit; trotzdem verstärken sich in den letzten Jahren die Anzeichen, dass andere Bistümer ihr Engagement für die Weiterentwicklung der Katechese eher reduzieren (z.B. durch die Streichung entsprechender Stellen) und die Katechese nicht in dem Maße stärken, wie dies angesichts der aktuellen kirchlichen Situation dringend nötig wäre. Das tut diesem fundamentalen Lernort des Glaubens und den vielen in diesem Feld tätigen Katechetinnen und Katecheten nicht gut. Es verkennt die Bedeutung der Katechese für die „Lebendigkeit der Kirche“ und die Notwendigkeit, sich intensiver der Erwachsenenkatechese zuzuwenden, um als Kirche missionarisch wirken zu können.
2. In dem Maße, wie das Zutrauen in das Potential der Katechese kirchlicherseits nachlässt, wächst die Versuchung, dem Religionsunterricht wieder stärker katechetische Aufgaben zuzuweisen. Dass auch der Religionsunterricht herausgefordert ist, die mit religiöser Praxis vielfach gänzlich unvertrauten Schüler/innen mit Formen gelebter Religion bekannt zu machen, ist evident. Dass dies aber verschiedentlich als Chance zur Wiederbelebung eines katechetischen Religionsunterrichts gesehen wird, tut dem Religionsunterricht und den hier engagierten Lehrerinnen und Lehrern nicht gut. Es verkennt den Bildungsauftrag öffentlicher Schulen und die Grenzen unterrichtlicher Arbeit.
Der konfessionelle Religionsunterricht lebt von seiner eigenen Gestalt, die es ihm erlaubt, unter den Bedingungen der Schule seine Aufgabe zu erfüllen. Gerade in dieser Ausrichtung hat er sich in den letzten Jahrzehnten gut entfaltet und behauptet. Die Alternative, nun dem Religionsunterricht aufzutragen, was eine reduzierte Katechese nicht leisten kann, würde nicht nur die Katechese veröden lassen, sondern auch die Anerkennung des Religionsunterrichts in Schule und Gesellschaft gefährden. Auf diesem Hintergrund möchten wir nachdrücklich dazu auffordern, der Katechese mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden und diese ureigenste kirchliche Aufgabe der Erschließung und Kommunikation des Glaubens entschiedener in den Fokus kirchlichen Bemühens zu stellen. Katechese muss dringend ein kirchliches Top-Thema werden!
München, 21. April 2012, Marion Schöber, Vorsitzende des Deutschen Katecheten-Vereins e.V.
Aus: Unterwegs. Die Mitgliederzeitung des Deutschen Katecheten-Vereins e.V. Nr. 2/2012, S. 13